Schon im Vorfeld der Demo regnet es Attacken auf "Ja zu FRA". Überraschend ist das nicht.
Eigentlich haben die Unternehmen alles richtig gemacht, um Astroturf-Vorwürfe zu vermeiden. Die Initiative ist glasklar transparent, die Firmen zeigen sich offen, mobilisiert werden die eigenen Leute. Wenn Grassroots, dann so. Aber das Ziel ist natürlich, die Legitimität der Flughafengegner anzukratzen. Aus "Stuttgart21" kann man ja lernen, dass eine lautstarke Protestbewegung noch lange nicht dasselbe ist wie eine Bürgermehrheit.
Lufthansa wagt sich mit "Ja zu FRA" weit vor -- wie zuvor schon mit "Die Fracht braucht die Nacht" der LH-Cargo (s.u.). In der Luft mag der Konzern für seriöse Eleganz stehen, aber am politischen Boden ist der Kranich oft ausgesprochen rauflustig. Das kann man in jeder Ausgabe vom LH-Politikbrief nachlesen, und bei den Lobby-Rempeleien in Berlin und Brüssel beobachten.
Wie streitbar Fraport ist, konnte man in den letzten Tagen beim Streik erleben. Und jetzt:"Es geht darum, mit einem persönlichen Statement zu zeigen, dass der Flughafen durchaus Befürworter hat", erläutert ein Fraport-Sprecher in der Online-Ausgabe des Darmstädter Echos. Die Unternehmensleitung sei dem Wunsch ihrer Mitarbeiter nachgekommen, "Flagge zu zeigen", und eine dafür geeignete Plattform zur Verfügung zu stellen.
Verglichen mit den wutbürgerlichen Protesten in Berlin und Brandenburg war es in der Rhein-Main-Region lange verhältnismäßig ruhig. Das lag zweifellos an der Wirkung des äußerst aufwändigen Mediationsverfahrens dort. Inzwischen scheint der friedliche Interessenausgleich nebst Bürgerbeteiligung aber in Scherben zersprungen zu sein, denn Frankfurt ist zur Szenerie heftiger Proteste auf der Straße geworden -- also genau das, was mehrere Landesregierungen seit Hans Eichel so lange vermeiden wollten.
Wie scharf der Ton geworden ist, zeigt sich an den öffentlichen Angriffen auf den Kommunikationsdienstler der Lufthansa, die Agentur Burson-Marsteller. Sie wird geradezu dämonisiert. Statt die Inhalte von "Ja zu FRA" anzugreifen, wird der Dienstleister zur Zielscheibe -- was auch recht leicht fällt, denn die internationale Agenturmutter hat eine sehr eigene Geschichte. Die Anti-Airport-Initiativen stellen BM als Agentur für schmutzige Tricks und üble Auftraggeber dar.
Die Flughafengegner recherchierten schnell, dass der Domaininhaber der "Ja zu FRA"-Website offenbar BM ist, und seitdem steht "Ja zu FRA" dank BM in Verbindung mit Ceausescu und der Militärjunta in Argentinien, mit Union Carbide (Bhopal) und Monsanto -- alten BM-Kunden. Lange her, aber immer noch gut fürs negative campaigning. Dass BM schon mal "bezahlte Demonstranten" eingesetzt habe, wird mit Blick auf die Frankfurter Römerberg-Demo nicht vergessen zu erwähnen.
Auf der Welle surfen diverse Opportunisten. Die Linken-Fraktionschefin im hessischen Landtag und Frankfurter OB-Kandidatin, Janine Wissler, textet schon mal: "Atomunfall, Militärdiktatur, Bhopal – und nun der Flughafen Frankfurt - PR-Agentur Burson-Marsteller ist auf Katastrophen spezialisiert".
Nun haben Agentur und Kunden alle Hände voll zu tun, um den Schaden zu begrenzen. In der Frankfurter Rundschau meldet sich BM-Chef Karl-Heinz Heuser zu Wort:
Karl-Heinz Heuser bestreitet nicht, was die Flughafenausbaugegner bei Wikipedia ausgegraben haben. „Mit bestimmten Klienten würden wir heute nicht mehr zusammenarbeiten“, zitiert Heuser den über 90 Jahre alten Firmengründer Harold Burson. Heuser wirbt aber auch für eine „zum Teil differenzierte Betrachtung der Historie“. Mit Ceausescu habe die Agentur zusammengearbeitet, als der im Westen noch „als Türöffner für den Eisernen Vorhang galt“. Zu dem Monsanto-Aufzug möchte sich der Geschäftsführer nicht äußern.Im Wiesbadener Kurier heißt es:
Die Kritik an der PR-Agentur Burson-Marsteller kann die Lufthansa dagegen nicht nachvollziehen. Die Frankfurter Agentur unterstütze die Initiative lediglich logistisch.
In der Online-Ausgabe des Darmstädter Echos verteidigt sich ein Sprecher der BM-Niederlassung in Frankfurt mit den Worten: "Wir halten uns an den PR-Codex". Die deutsche Agentur sei rechtlich selbstständig und habe das Vorgehen auf internationaler Ebene nicht zu verantworten. Zudem sei die ganze Aufregung unverständlich, da die Lufthansa bereits seit sechs Jahren erfolgreich mit Burson-Marsteller zusammenarbeite, zitiert das Echo.Attacke auf Mobilisierungsmaßnahmen
Der Kurier berichtet ausführlicher über die Kritik an den Kommunikationsmaßnahmen der "Ja zu FRA"-Initiative.
- Vorwurf: Arbeitnehmer zur Polit-Aktion gezwungen. Die Unternehmen sehen sich genötigt zu beteuern, dass die Teilnahme an der Kundgebung "absolut freiwillig" sei und in deren Freizeit stattfinde. „Das wird niemand kontrollieren“, wird ein Lufthansa-Sprecher im Kurier zitiert. In der Online-Ausgabe des Darmstädter Echos erklärt ein Fraport-Sprecher: "Es ist eine freiwillige Veranstaltung, zu der wir einladen".
- Vorwurf: Kundendaten missbraucht. „Wir verwenden ausschließlich frei zugängliche Adressen“, beteuert Lufthansa im Kurier. Die Airline habe ausschließlich Vielflieger angeschrieben, die regelmäßig mit der Fluglinie unterwegs seien und dem Versand von Kundenmailings zugestimmt hätten. Ein Zusammenhang mit einer aktuellen Flugbuchung sei rein zufällig. Offenbar haben sich Empfänger von Werbepost für die Kundgebung bei den Flughafengegnern beschwert.
Das Grassroots-Muster ist nicht ganz neu. Lufthansa Cargo brachte bereits im Oktober 2011 im Streit um die Nachtflüge Hunderte ihrer Mitarbeiter zu einer Demonstration auf die Straße. Betriebsräte und Vorstand schwenkten gleichermaßen die gelb-blauen Fähnchen von „Die Fracht braucht die Nacht“, einer von der Fracht-Airline im Frühjahr 2010 initiierten Koalitionskampagne der Logistikbranche. Diese hat 2010 schon einmal eine Unterschriftenaktion besorgt, an der sich 100 Unternehmen und 10.000 Einzelpersonen beteiligten. Neben Lufthansa Cargo wurden noch 17 andere Organisationen, vor allem Logistikverbände, als „Mitglieder“ einbezogen. Mit dabei ist aber auch als Mitglied die Bürgeraktion Pro Flughafen, eine Initiative im Rhein-Main-Gebiet. (Siehe zur Historie der Kampagne den Blogbeitrag vom 2.7.2010).
Die Mobilisierung von Mitarbeitern und Airport-Freunden versuchte auch die Berliner Flughafen-Gesellschaft - im Herbst 2011 sollten sie vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig demonstrieren -- und die Fahrt der Beschäftigten des öffentlichen Unternehmens sollte sogar als Dienstreise gelten (Siehe dazu Blogbeitrag vom 12.11.2011).